Große Neuigkeiten (aber: Undank ist der Welt Lohn)

Unter dem geheimnisumwitterten Pseudonym Anonyma erschien 2003 das Buch „Eine Frau in Berlin. Tagebuchaufzeichnungen vom 20. April bis 22. Juni 1945.“ Die Autorin beschreibt darin ihre täglichen Erfahrungen im zerbombten Berlin kurz vor Ende des Zweiten Weltkriegs: Die Kapitulation steht bevor, die Rote Armee kämpft bereits in der Hauptstadt. Die Folgen für die Frauen sind verheerend. Das Buch avancierte zum Bestseller, löste aber auch kontroverse Debatten aus: über den historischen Wert des Buches, über die Autorin und ihre Integrität, über Opfer- und Täterrollen. Anonyma wurde schließlich als die Journalistin Marta Hillers enttarnt, doch das Rätsel um die Authentizität ihrer Aufzeichnungen blieb ungelöst. Dem IfZ liegen nun die Original-Tagebücher und weitere wichtige Quellen zur Entstehung des Buches vor. Erstmals ist es möglich, die Geschichte der Anonyma und ihres Tagebuchs nachzuzeichnen.

So vermeldet das Institut für Zeitgeschichte München. Das sind gigantische Neuigkeiten, jedenfalls für mich. Gleichzeitig machen sie mich wütend, denn:

Podiumsdiskussion mit Yuliya von Saal (Institut für Zeitgeschichte München–Berlin), Svenja Goltermann (Universität Zürich) und Martin Doerry (Der Spiegel). Moderation: Thomas Schlemmer (Institut für Zeitgeschichte München–Berlin).

Wer redet da mit? Zwei Mitarbeiter des IfZ, völlig akzeptabel. Was jemand von der Uni Zürich und ein Spiegel-Autor dort zu suchen haben, frage ich mich allerdings doch, vielmehr: Wieso sind sie dort, wenn die bislang einzige Biographin Marta Hillers‘ nicht eingeladen, offenbar noch nicht einmal in Betracht gezogen wurde? Ich habe eineinhalb Jahre damit verbracht, alle verfügbaren Quellen von Basel bis Moskau zusammenzutragen. Ja, auch im IfZ war ich dafür. Ich habe Martas Schriften „studiert“ und könnte sicher das eine oder andere über ihren Stil oder ihre Anleihen erzählen. Ich habe einen Textvergleich der Erstausgaben fast sämtlicher Sprachen vorgenommen und daraus verschiedene Manuskriptphasen ermittelt. Ich habe mit einer Originalübersetzerin gesprochen und erfahren, mit welchem Material sie damals gearbeitet hatte. Der Spiegel hat nur das berichtet, was alle berichtet haben. Seinen Autoren standen die gleichen Möglichkeiten offen wie mir, aber sie zogen es vor, sie nicht zu nutzen. Aber nun, möchte ich wetten, werden in dieser Podiumsdiskussion stolz Dinge präsentiert werden, die ich mühselig und auf eigene Kosten ermittelt habe (falls nicht das Gegenteil zutrifft und weiterhin nur Bisky und Wikipedia zitiert werden). Und vermutlich werden sich andere im Anschluß mit ihren Erkenntnissen profilieren. Erstmals ist es möglich, die Geschichte der Anonyma […] nachzuzeichnen, ja, sicher. Das ist bereits 2013 geschehen.

Mal sehen, ob man mich wenigstens die Originaltagebücher einsehen läßt. Interessant wäre auch, ob sie weitere Rezensionen der Zeit gefunden haben.

Eine Antwort zu “Große Neuigkeiten (aber: Undank ist der Welt Lohn)

  1. Big news

    The original diaries that formed the basis for A Woman in Berlin are now in the possession of the Institut für Zeitgeschichte (Leibniz Institute for Contemporary History) in Munich. This is really big news.
    https://www.ifz-muenchen.de/veranstaltungen/termin/datum/25/6/2019/anonyma0/

    I’m somewhat grumpy of not having been considered at all for the presentation on 25 June, but of course I’m going there to at least listen. I’m also in talks with the Institute concerning access to the diaries.

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